46 Der Mobilitätsmanager 09.2024 Streit zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern beruht oft auf falschen Vorstellungen von Rechten und Pflichten. Zumal das deutsche Arbeitsrecht eine komplizierte Angelegenheit ist. Es gibt nicht nur ein Gesetz, das alles regelt, sondern eine Vielzahl von Vorschriften. Dazu kommen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Es verwundert also nicht, dass es manchmal zu Missverständnissen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommt – nicht zuletzt deswegen, weil sie schlecht informiert sind. Irrtum Nr. 1: „Ich darf auf keinen Fall verraten, wie viel Geld ich verdiene.“ Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen, die von Mitarbeitern verlangen, dass sie nicht über ihr Gehalt sprechen dürfen, sind unzulässig. Dennoch sind solche Regelungen noch immer in vielen Verträgen zu finden. Spätestens mit dem Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes dürfte klar sein, dass Arbeitnehmer ein Recht darauf haben, ein faires Gehalt einzufordern, wenn sie bei gleichen Voraussetzungen weniger als ihre Kollegen verdienen. Es ist also durchaus erlaubt, mit KollegInnen offen über das zu sprechen, was auf dem eigenen Konto landet. Irrtum Nr. 2: „Der Chef muss einige Male abmahnen, bevor er einen kündigt.“ Nicht immer. Arbeitnehmer sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen, wenn sie z.B. eine schwerwiegende Rechts- oder Pflichtverletzung begehen, etwa bei sexueller Belästigung oder bei einem Diebstahl im Betrieb. In solchen Ausnahmefällen kann eine Kündigung ausgesprochen werden, die keiner vorherigen Abmahnung bedarf. Erfüllt ein Arbeitnehmer hingegen seine Vertragspflichten nicht, obwohl dieser in der Lage dazu wäre, erwartet das Bundesarbeitsgericht vor einer Kündigung zunächst eine Abmahnung. Auf diese Weise bekommen Mitarbeiter eine Chance, ihr Verhalten zu ändern. Bei verhaltensbedingten Kündigungen sei eine solche Abmahnung gar unverzichtbar, so die Handelskammer Hamburg. Sollte die Warnung erfolglos bleiben, können Arbeitgeber anschließend eine Kündigung aussprechen, die auch vor Gericht eher standhält. Irrtum Nr. 3: „Urlaub während der Probezeit? Nicht möglich.“ Arbeitgeber dürfen ihren Arbeitnehmern auch während ihrer Probezeit Urlaubstage gewähren. Mehr noch, Arbeitnehmer erwerben ein Recht darauf. Die Aussage, seinen Mitarbeitern keinen Urlaub gewähren zu können, ist damit nicht korrekt. Der Unterschied zum Urlaubsanspruch von Mitarbeitern, die schon länger im Betrieb tätig sind, ist, dass neue Mitarbeiter noch nicht den vollen gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch erworben haben. Dieser beläuft sich bei einer 5-Tage-Woche z.B. auf 20, bei einer 6-TageWoche auf 24 Urlaubstage. Arbeitnehmer, die sich noch in der Probezeit befinden, erhalten aber mit jedem abgeleisteten Probemonat 1/12 ihres Jahresurlaubs zugesprochen. Bei einer 6-Tage-Woche wären das für einen Monat (24 Urlaubstage x 1/12 =) 2 Urlaubstage. Irrtum Nr. 4: „Arbeitgeber darf nicht kündigen, nur weil man krank ist.“ Auch wenn Arbeitnehmern wegen einer Erkrankung kein Schuldvorwurf gemacht werden kann und das Kündigungsschutzgesetz greift, muss differenziert werden. Klar ist, dass das ausschließliche Vorliegen einer Krankheit kein ausreichender Grund ist, um seinen Mitarbeitern eine Kündigung auszusprechen. Trotzdem kann in speziellen Fällen, wenn einige Kriterien erfüllt sind, schon bald eine Kündigung auf dem Tisch von Betroffenen landen. Das ist vor allem bei einer sogenannten „negativen Gesundheitsprognose“ der Fall, wenn auch betriebliche Interessen dadurch in Gefahr sein könnten. Im Klartext: Längere Fehlzeiten von Arbeitnehmern, die einmalig auftreten, reichen häufig nicht aus, um einem Mitarbeiter zu kündigen. Vielmehr geht es um Prognosen, die darauf hindeuten, dass es auch in Zukunft zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen könnte, welche wirtschaftlichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen entgegenstehen. Im Streitfall kann der Fall vor Gericht landen, weshalb Arbeitgeber stichhaltig argumentieren müssen, um zu beweisen, warum eine Weiterbeschäftigung nicht möglich gewesen sein soll. Irrtum Nr. 5: „Der Arbeitsvertrag bedarf der Schriftform.“ Hierzulande herrscht Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass Arbeitsverträge auch mündlich geschlossen werden dürfen. Seit dem 01.08.2022 müssen Arbeitgeber jedoch nach § 2 NachwG handeln und ihren Arbeitnehmern zumindest die Arbeitsbedingungen unbedingt in Schriftform aushändigen. Eine digitale Bestätigung ist ausgeschlossen – es bedarf tatsächlich der – wenn auch veralteten – Papierform. Obwohl das Nachweisgesetz bereits seit 1995 existiert, wurde es nun reformiert. Neu ist etwa, dass bei befristeten Arbeitsverträgen das Enddatum ersichtlich sein muss und auch vereinbarte Ruhepausen in Schriftform festgehalten werIRRTÜMER, WAS MAN (NICHT) DARF Kuriose Job-Irrtümer dienen im Streitfall zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oft als Argumentationsbasis. Was man als Arbeitnehmer wissen muss, und was hinter den häufigsten Mythen im Arbeitsrecht steckt. Recht • Steuer • Versicherung • Arbeitsrecht Text arbeits-abc Fotos Anton Luk/Unsplash Online-Info arbeits-abc.de
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